Der Nachrichtenwert

Wie aus einem Ereignis eine Nachricht wird

Jeden Tag, jede Stunde geschieht auf der ganzen Welt eine Vielzahl verschiedener Ereignisse. Manche von diesen sind ganz alltäglich, andere sind außergewöhnlich und einzigartig. Wie kommt es aber, dass es auf der einen Seite unendlich viele Ereignisse gibt, aber auf der anderen Seite nicht über alle in den Massenmedien berichtet wird? Wie entsteht eine Nachricht?

Nachrichten sind für die Nachrichtenagenturen die Waren, die sie verkaufen wollen. Es gibt weltweit eine große Zahl solcher Agenturen, aber die fünf größten Agenturen, die AP (Associated Press), AFP („Agence France Press“), Reuters („Thomson Reuters“) und die dpa („Deutsche Presseagentur“) sind die wichtigsten im Handel mit dem Produkt Nachricht.

Bei der Auswahl, was eine wichtige Nachricht für sie sein könnte, hilft den Agenturen die Theorie des Nachrichtenwertes. Diese Theorie entstand in den 1920er Jahren, seitdem wird an ihr weitergearbeitet. Indem man den Inhalt von Medienberichten analysierte, versuchte man Merkmale berichteter Ereignisse zu identifizieren. Dazu betrachtete man z. B. den Umfang, die Platzierung oder die Aufmachung der Nachrichten. So fand man heraus, dass es verschiedene Einflussgrößen gibt, die die Entstehung einer Nachricht mitbestimmen. Insgesamt gibt es zwölf wichtige Faktoren, von denen acht „kulturunabhängig“, das heißt auf der ganzen Welt gleich sind. Die anderen vier sind „kulturabhängig“ und je nach Kultur auf der ganzen Welt unterschiedlich.

Auf der ganzen Welt spielen folgende Faktoren bei der Entstehung einer Nachricht eine besondere Rolle:

Frequenz

Je besser sich der zeitliche Ablauf eines Ereignisses an die Erscheinungshäufigkeit der Massenmedien anpassen lässt, umso wahrscheinlicher wird das einzelne Ereignis zur Nachricht.

Schwellenfaktor

Ein Ereignis muss eine bestimmte Aufmerksamkeitsschwelle überschreiten, um überhaupt wahrgenommen zu werden.

Bedeutsamkeit

Je größer die Bestürzung und/oder Verwunderung über ein Ereignis und je größer die Bedeutung ist, umso wahrscheinlicher wird es zur Nachricht.

Kongruenz

Je größer die Übereinstimmung zwischen dem Ereignis und den bestehenden Vorstellungen und Erwartungen ist, umso wahrscheinlicher wird es zur Nachricht.

Überraschung

Überrascht ein Ereignis die Menschen, wird es wahrscheinlich zur Nachricht.

Kontinuität

Ist ein Ereignis bereits zu einer Nachricht geworden, hat es gute Chancen, auch weiterhin von den Massenmedien als eine solche gesehen zu werden.

Variation

Der Schwellenwert für ein Ereignis wird niedriger, wenn es mit dazu beiträgt, das gesamte Nachrichtenbild zu variieren.

komplementär

Nicht alle Faktoren müssen gleichzeitig erfüllt werden, sondern jeder Faktor kann durch einen anderen ausgeglichen werden.

 

Bestimmte Faktoren sind je nach Kulturkreis verschieden:

Bezug zu „Elite-Nationen“

Betreffen Ereignisse bestimmte „Elite-Nationen“ (z. B. die USA), werden sie mit höherer Wahrscheinlichkeit zur Nachricht.

Bezug zu „Elite-Personen“

Wenn es etwas über bestimmte Elite-Personen (z. B. Promis oder Spitzenpolitiker) zu berichten gibt, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass eine Nachricht daraus entsteht.

Personalisierung

Je stärker das Handeln oder das Schicksal von einzelnen Personen durch ein Ereignis in den Vordergrund rückt, umso wahrscheinlicher wird es zur Nachricht.

Negativität

Je stärker ein Ereignis mit Konflikt, Zerstörung oder Tod verbunden ist, umso wahrscheinlicher wird es zur Nachricht.

 

Damit kommt der Theorie des Nachrichtenwertes eine besondere Bedeutung zu. Die Theorie hilft zu verstehen, mit welchen Selektionskriterien gearbeitet wird. Zugleich ermöglicht sie auch Rückschlüsse auf die zukünftige Berichterstattung, denn gegebene Merkmale eines Ereignisses weisen schon darauf hin, dass aus dem Ereignis eine Nachricht wird.

Doch selbst wenn diese Faktoren eingehalten werden, wird nicht jede Nachricht veröffentlicht. Dies liegt daran, dass jede einzelne Nachricht eine bestimmte Schwelle an Relevanz und Interessantheit, die sogenannte Nachrichtenschwelle, überwinden muss.